Einleitung
Mit dem Mahnverfahren gibt der Gesetzgeber ein Instrument an die Hand, um Ansprüche schnell, effektiv und günstig geltend machen zu können. Bevor dieses Instrument angewendet wird, sollten mögliche unerwünschte Folgen bedacht werden. Der folgende Artikel vermittelt einen Überblick über das Mahnverfahren.
Das Mahnverfahren ist geregelt in den §§ 688 ff. ZPO. Es kann dann angewendet werden, wenn ein Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme geltend gemacht werden soll, § 688 Abs. 1 ZPO. Zu differenzieren ist zwischen dem Mahnantrag, dem Mahnbescheid und dem Vollstreckungsbescheid. Letztendliches Ziel des Mahnverfahrens ist ein Vollstreckungsbescheid. Nur dieser ist nach § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO Vollstreckungstitel.
Grundlegend funktioniert das Mahnverfahren wie folgt: Der Gläubiger füllt einen Mahnantrag aus, indem er dem Gericht die jeweiligen Daten über seinen Anspruch mitteilt. Daraufhin schickt das Gericht ohne materielle Prüfung des Anspruchs einen Mahnbescheid an den Schuldner. Dieser kann dann wiederum auf den Mahnbescheid reagieren (siehe dazu weiter unten). Reagiert er nicht, kann ein Vollstreckungsbescheid beantragt werden.
Beispiel 1: A kauft von B für 3.000 € einen Tisch. B übergibt und übereignet A den Tisch, A zahlt jedoch nicht die 3.000 € und macht B deutlich, dass er dies auch nicht vorhabe. B füllt daher online einen Mahnantrag aus und zahlt die Mahngebühren, woraufhin das zuständige Gericht A einen Mahnbescheid schickt. A ist daraufhin einsichtig und zahlt 3.000 € nebst Mahngebühren an B.
Voraussetzungen
Damit von dem jeweiligen Gericht ein Mahnbescheid ergehen kann, muss zunächst ein Mahnantrag ausgefüllt werden. Dies kann online erfolgen unter https://www.online-mahnantrag.de [13.8.2024]. Formulare zum Ausdrucken finden sich unter https://www.mahngerichte.de/verfahrensueberblick/antragstellung/zulaessige-vordrucke/ [13.8.2024]. Die Anforderungen eines Mahnantrags finden sich in § 690 ZPO. Insbesondere ist § 690 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hervorzuheben, nach dem das Gericht, bei dem der Antrag zu stellen ist, anzugeben ist. Dies ist das zuständige Gericht nach § 689 Abs. 2 S. 1 ZPO, nach dem der Antragssteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, der sich bei natürlichen Personen nach dem Wohnsitz richtet, § 13 ZPO. Allerdings können Landesregierungen zentrale Mahngerichte einrichten, was alle Bundesländer auch getan haben. Welches Gericht jeweils örtlich zuständig ist, ist z. B. im BeckOK aufgelistet.1
Ist ein Mahnantrag gestellt worden und wurde nicht gemäß § 691 ZPO zurückgewiesen, so wird dieser dem Antragsgegner zugestellt, § 693 Abs. 1 ZPO. Der Inhalt des Mahnbescheids bestimmt sich nach § 692 ZPO. Hier ist § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hervorzuheben, wonach der Schuldner auch mitgeteilt bekommt, dass das Gericht die Begründetheit des Anspruchs nicht geprüft hat.
Reaktionen auf den Mahnbescheid
Auf einen Mahnbescheid kann verschieden reagiert werden, wobei jede Reaktion unterschiedliche Folgen mit sich bringt.
I. Zahlen
Eine einfache Möglichkeit der Reaktion ist es, den geforderten Anspruch nebst Mahngebühren und ggf. Zinsen zu erfüllen durch Zahlung. Dann muss das Mahnverfahren nicht weiterbetrieben werden. Der Mahnbescheid hat dann seine unmittelbare Funktion als gerichtlich vermittelte Zahlungsaufforderung2 erfüllt und zur Befriedigung des Gläubigers geführt.
II. Widerspruch einlegen
Eine andere Möglichkeit ist es, gegen den Mahnbescheid Widerspruch einzulegen, § 694 Abs. 1 ZPO. Danach kommt es nach Beantragung einer der Parteien zum streitigen Verfahren – also zu einer Anspruchsprüfung vor Gericht, § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO.
III. Untätig bleiben
Der Schuldner hat zudem die Option, nicht auf den Mahnbescheid zu reagieren. Der Gläubiger könnte schließlich von einer weiteren Verfolgung seines Anspruchs absehen.
Sollte der Schuldner jedoch keinen Widerspruch einlegen, so kann der Gläubiger einen Antrag bei Gericht auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids beantragen, § 699 Abs. 1 S. 1 ZPO. Gemäß § 699 Abs. 1 S. 2 HS. 1 ZPO kann der Antrag nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden. Hierbei ist zu beachten, dass auch nach Ablauf der Frist Widerspruch erhoben werden kann. Nur kann nicht schon vorher ein Vollstreckungsbescheid beantragt werden. Die Frist für einen Widerspruch beträgt zwei Wochen, § 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO
Der Vollstreckungsbescheid steht nach § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Gegen ihn kann deshalb nach §§ 700 Abs. 1, 338 ZPO Einspruch eingelegt werden. Hierfür steht die zweiwöchige Einspruchsfrist ab Zustellung des nach §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO zur Verfügung. Nach Einlegung des Einspruchs wird das Mahngericht an das im Mahnantrag benannte Gericht abgeben gem. § 700 Abs. 3 S. 1 ZPO. Dadurch wird das Mahnverfahren beendet und das Prozessgericht prüft die Begründetheit des Anspruchs.
Beispiel 2: A kauft von B für 3.000 € einen Tisch. B übergibt und übereignet A den Tisch, A zahlt jedoch nicht die 3.000 € und macht B deutlich, dass er dies auch nicht vorhabe. B füllt daher online einen Mahnantrag aus, woraufhin das zuständige Gericht A einen Mahnbescheid schickt. A reagiert daraufhin nicht. Nach drei Wochen beantragt B bei Gericht einen Vollstreckungsbescheid, den das Gericht auch erlässt. Gegen den Vollstreckungsbescheid legt A Einspruch ein. Da der Anspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) tatsächlich besteht, wird das zuständige Gericht im streitigen Verfahren den Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten (§§ 700 Abs. 1, 343 S. 1 ZPO).
Legt der Schuldner nicht innerhalb der Frist Einspruch ein, so ist rechtskräftig (!) über den Streitgegenstand entschieden.3
Für die studentische Rechtsberatung
In der studentischen Rechtsberatung ist für den Fall, dass gegen den Mandanten ein Mahnbescheid erlassen wurde, das Mandat an einen Anwalt abzugeben, da aufgrund der zweiwöchigen Widerspruchsfrist Zeitdruck besteht, bis der Gegner einen Vollstreckungsbescheid beantragen kann. Dem Mandanten kann nur schon einmal beruhigend gesagt werden, dass beim Mahnverfahren das Gericht den Anspruch nicht geprüft hat, sodass der Mahnbescheid nicht gleich bedeutet, dass gegen ihn ein Anspruch besteht. Dies zu sagen kann sinnvoll sein, da ein Mahnbescheid den Mandanten potenziell einschüchtern kann.
Sollte der Mandant selbst einen Anspruch geltend machen wollen, so kann ein Mahnbescheid durchaus auch als zu empfehlende Handlungsoption für die studentische Rechtsberatung in Betracht kommen. Allerdings kann derzeit das Mahnverfahren nicht durch Law&Legal durchgeführt werden, da dies nicht von der Mandatsvereinbarung gedeckt ist. Dem Mandanten kann daher nur empfohlen werden, selbständig bzw. mit anderweitiger Hilfe das Mahnverfahren anzustrengen. Hierbei ist der Mandant aber über mögliche Folgen eines Mahnantrags aufzuklären. Schließlich könnte es durch einen Widerspruch oder einen Einspruch des Anspruchsgegners zum streitigen Verfahren vor Gericht kommen. Es sollte daher sichergestellt werden, dass der Mandant tatsächlich einen Anspruch gegen den Antragsgegner hat.
Vorteile gegenüber einem Gerichtsverfahren
Ein Mahnantrag bietet durchaus Vorteile gegenüber einem Gerichtsverfahren. So kann der Mandant einen Mahnantrag selbst online ausfüllen, es gibt also keinen Anwaltszwang. Zudem ist das Verfahren schnell, da keine mündliche Verhandlung o. Ä. durchgeführt werden muss und das Gericht nicht die Begründetheit des Anspruchs prüft; gemäß § 689 Abs. 1 S. 3 ZPO sollen die Anträge bereits am Tage nach Eingang des Antrags bearbeitet sein.
Ein wesentlicher Vorteil des Mahnverfahrens besteht darin, dass bereits die Zustellung des Mahnbescheids gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Verjährung hemmt. Wegen § 167 ZPO wird für die Zwecke der Verjährung auf den Zeitpunkt des Antrags rückdatiert, wenn die Zustellung innerhalb eines Monats geschieht bzw. auch nach längerer Zeit, wenn die Zustellungsverzögerung nicht auf ein Verschulden des Antragsstellers zurückzuführen ist.4 Damit kann auch kurzfristig der Eintritt der Verjährung verhindert werden, wenn die Zeit für eine Klageerhebung zu knapp ist.
Zudem ist das Mahnverfahren günstiger als ein Gerichtsverfahren: Gemäß Nr. 1100 KV-GKG kostet ein Mahnverfahren nur eine halbe Gerichtsgebühr (mindestens aber 36 €), während ein Gerichtsverfahren nach Nr. 1210 KV-GKG drei Gerichtsgebühren kostet. In dem Mahnbescheid wird der Antragsgegner aufgefordert, die behauptete Schuld nebst den geforderten Zinsen und den bisherigen Verfahrenskosten zu zahlen, § 692 Abs.1 Nr. 3 ZPO. Der Gläubiger bleibt somit nicht auf den Kosten für das Mahnverfahren sitzen. Bei einem streitigen Verfahren nach Widerspruch oder Einspruch wird die Gebühr des Mahnverfahrens auf die reguläre dreifache Gebühr angerechnet gem. Nr. 1210 Abs. 1 S. 1 HS. 2 KV-GKG.
Ein Beitrag von Johannes Wichert, Universität Bayreuth.
Vielen Dank an Dr. Christoph Weber für die hilfreichen Korrekturanmerkungen.