Der Kauf von Sachen ist etwas derart Alltägliches, dass die Gewohnheiten und Gepflogenheiten oftmals wirkmächtiger sind als die gesetzlichen Normierungen.
Beispiel: A lässt im Supermarkt ein Bier fallen, Mitarbeiterin B bittet ihn dafür nicht zur Kasse. Tatsächlich wäre A zumindest gemäß §§ 311 II Nr. 3, 280 I, 241 II BGB oder gem. § 823 I BGB schadensersatzpflichtig. Oder: C kauft dem D ein Markenprodukt ab, welches sich als Fälschung herausstellt, doch beide versöhnen sich bei einem gemeinsamen Essen. Tatsächlich stehen dem C aber Gewährleistungsrechte zu.
Problematisch wird es, wenn eine Partei mit der Leistung der anderen unzufrieden, eine gemeinsame Lösung aber nicht möglich ist. Fallen gegenseitige Vorstellungen der Konfliktlösung auseinander, hilft oftmals nur die rechtliche Klärung. Hier soll dieser Beitrag ansetzen und zunächst das Mangelgewährleistungsrecht beim Kauf unter Privaten bzw. Verbraucher:innen („Privatkauf“) behandeln. Er richtet sich insbesondere an Personen ohne juristische Vorkenntnisse und dient als Grundlagenwissen und Argumentationshilfe.
Der Kauf basiert auf einem Vertrag, § 311 Abs. 1 BGB. Dafür bedarf es mindestens zweier aufeinander bezugnehmender Willenserklärungen: Angebot und Annahme. Geregelt sind diese in §§ 145 ff. BGB. Die Form dieser Erklärungen, ob mündlich oder schriftlich, analog oder digital, ist unbeachtlich. Entscheidend ist, dass eine Partei durch Ihr Tun zu verstehen gibt, eine bestimmte Kaufsache zu einem bestimmten Kaufpreis von einer anderen Partei ernsthaft erwerben zu wollen (Antrag mit essentialia negotii)[1].
Beispiel: A fragt B, ob dieser ein Bier von der Bar will, B nickt. Oder: D geht zum Stand des C, zeigt auf das ausliegende Kleidungsstück und holt dabei seine Geldbörse raus.
Stimmt die andere Partei diesem Antrag zu, so liegt eine Annahme vor. Grundsätzlich ist nun ein Vertrag nach § 433 BGB zustande gekommen, der die Rechte und Pflichten der Parteien begründet.
[1] So bereits das Reichsgericht, Urteil vom 08.04.1929, Aktenzeichen VI 701/28; siehe auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.11.2018, Aktenzeichen VIII ZR 109/18.
Ist der Vertrag wirksam, stehen den Parteien in der Regel Gewährleistungsrechte zu. Doch wann dürfen Käuferinnen davon Gebrauch machen? Ausgangspunkt ist der wirksam geschlossene Kaufvertrag, siehe zum Zustandekommen oben. Die Verkäuferin hat nun gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB die Pflicht, der Käuferin die Sache frei von Sachmängeln zu verschaffen. Im Umkehrschluss heißt das, der Verkauf einer mangelhaften Sache widerspricht der vertragsmäßigen Pflicht der Verkäuferin. Geschieht dies trotzdem, stehen der Käuferin die Rechte aus § 437 BGB (Gewährleistungsrechte) zur Verfügung.
Zunächst bedarf es also der Bestimmung, wann eine Sache mangelhaft ist. Der Sachmangel wird in § 434 Abs. 1 BGB näher umschrieben. Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang den subjektiven und objektiven Anforderungen oder den Montageanforderungen entspricht.
Subjektiv sind Anforderungen an die Sache, welche auf dem Parteiwille beruhen. Auf diesen bezieht sich § 434 Abs. 2 S. 1 BGB, was die Formulierungen „vereinbarte“ oder „nach dem Vertrag“ verdeutlichen. Es bedarf also einer ausdrücklichen oder angedeuteten Vereinbarung darüber, wie die Sache beschaffen sein oder wofür sie verwendet werden soll, damit eine subjektive Anforderung vorliegt. Unter Beschaffenheit versteht § 434 Abs. 2 S. 2 BGB die Physis (Art, Menge, Qualität und Verwendbarkeit) und Umweltbeziehungen (Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale) der Kaufsache.
Beispiel 1.1: „Der Laptop ist einwandfrei.“
Beispiel 1.2: „Der Handyakku hält locker acht Stunden.“
Beispiel 1.3: „Dieses Brett kannst du zur Tischtennisplatte verarbeiten.“
Beispiel 1.4: „Mit dem Fahrrad kannst du direkt losfahren.“
Die objektiven Anforderungen an die Sache ergeben sich aus der Verkehrssitte beziehungsweise der Marktüblichkeit. Von Bedeutung sind nach § 434 Abs. 3 S. 1 BGB die Eignung für die gewöhnliche Verwendung, ebenso wie die übliche und erwartbare Beschaffenheit der Sache. Gibt es also keine Vereinbarung, so bestehen weiterhin die objektiven Anforderungen an eine Sache. (Insbesondere Werbung oder sonstige öffentliche Äußerungen sind praktisch bedeutsam, allerdings hauptsächlich im Verbraucherkauf.)
Beispiel 2.1: A kauft von B einen Controller, als dieser ihm ein Bild zeigte.
Beispiel 2.2: C erhebt sich in der Kneipe und bewirbt die lange Haltbarkeit seines zum Verkauf stehenden Stiftes, am nächsten Tag kauf D ihm diesen Stift ab.
Widerspricht nun eine Sache der vereinbarten oder gewöhnlichen Beschaffenheit, also den ebengenannten objektiven und subjektiven Anforderungen, oder weicht eine Sache von dieser Beschaffenheit ab, so liegt eine mangelhafte Sache und damit ein Sachmangel vor.
Beispiel 1.1: Mangelhaft, wenn Laptop z.B. Bildfehler hat.
Beispiel 1.2: Mangelhaft, wenn Handyakku nur sieben Stunden hält.
Beispiel 1.3: Mangelhaft, wenn Holz für Tischtennis ungeeignet.
Beispiel 1.4: Mangelhaft, wenn Fahrrad z.B. einen Platten hat.
Beispiel 2.1: Mangelhaft, wenn z.B. ein Stick des Controllers defekt ist.
Beispiel 2.2: Mangelhaft, wenn Stift z.B. nach zwei Tagen leer ist.
Im Übrigen muss der Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 BGB bei Gefahrenübergang, also bereits bei Übergabe bzw. Versendung der Sache vorliegen. Tritt der Mangel erst später, z.B. durch unsachgemäße Verwendung oder rücksichtslosen Umgang auf, ist ein Rückgriff auf den Verkäufer nach §§ 446, 447 BGB ausgeschlossen. Es lohnt sich daher bei Erhalt der Sache, diese erst einmal zu untersuchen.
Ausnahmsweise kann die Gewährleistung ausgeschlossen werden, wenn dies explizit vereinbart wurde.
Beispiel: A verkauft B ein günstiges Auto, weist aber vorher auf den Haftungsausschluss hin. Oder: C verkauft Kleidung im Internet und merkt an, er hafte nicht für Schäden.
Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Wird beispielsweise im Rahmen der Verhandlung eine Beschaffenheit zugesichert oder ein Mangel arglistig verschwiegen, so kann sich der Verkäufer nicht auf einen vorher oder nachher vereinbarten Gewährleis¬tungs-ausschluss berufen, § 444 BGB.
Beispiel: D verkauft im Internet Kleidungsstücke und merkt im Profil an, er übernehme keine Haftung für Mängel. Im Chat mit E sichert er diesem auf Nachfrage zu, die Kleidung sei im „Top Zustand“.
Unzulässig ist außerdem ein Gewährleistungsausschluss, welcher Haftung wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit des Verkäufers ausschließt oder die Haftung für Schäden an Körper oder Gesundheit des Käufers beschränkt. [2]
Zusammenfassend ist eine Sache, die nicht der vereinbarten oder gewöhnlichen Beschaffenheit entspricht, mangelhaft. Lag dieser Mangel vor Übergabe oder Versendung vor, so ist die Sache nicht frei von Sachmängeln. Damit hat die Verkäuferin eine vertragsmäßige Pflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung hat rechtliche Folgen. Nach dieser Bestimmung der Begrifflichkeiten, also der Voraussetzungen der Gewährleistungsrechte, sind nun die Rechtsfolgen der Mangelleistung zu betrachten.
[2] Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.09.2007, Aktenzeichen VIII ZR 141/06
In § 437 BGB werden die Rechte der Käufer:innen bei Erhalt einer mangelhaften Sache aufgezählt. Aus dieser Aufzählung geht zunächst hervor, dass die Nacherfüllung gemäß § 437 Nr. 1 BGB das primäre Gewährleistungsrecht darstellt. Es gilt also der „Vorrang der Nacherfüllung“ [3]. Die anderen Rechte Rücktritt und Minderung (§ 437 Nr. 2 BGB), sowie die Schadensersatzansprüche (§ 437 Nr. 3 BGB) sind nachrangig.
[3] Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2010, Aktenzeichen VIII ZR 310/08.
Nacherfüllung wird gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach Wahl der Käuferin als Mangelbeseitigung (= Nachbesserung) oder Lieferung einer mangelfreien Sache
(= Neulieferung) geschuldet. Käufer:innen müssen Verkäufer:innen dazu ausdrücklich auffordern. Die Kosten dafür hat der Verkäufer nach § 439 Abs. 2 BGB zu tragen, da er den vertragswidrigen Umstand zu verantworten hat.
Beispiel: A verkauft B ein Fahrrad mit Platten, obwohl dieses direkt fahrtüchtig sein sollte. Nun kann B verlangen, dass A den Platten behebt.
Die Nacherfüllung kann die Verkäuferin nur verweigern, wenn sie unmöglich (§ 275 BGB) oder unverhältnismäßig (§ 439 Abs. 4 S. 1 BGB) ist. Unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB ist die Nacherfüllung beispielsweise, wenn die Sache ein Unikat war oder die Reparatur physikalisch nicht durchführbar ist.
Beispiel: A verkauft B ein Fahrrad, welches einen „schiefen Rahmen“ hat. Wenn B verlangt, den Mangel zu beheben, so kann A sich darauf berufen, dass dies physikalisch nicht möglich sei.
Daneben gibt es die „wirtschaftliche“ Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 2 BGB, welche bei grobem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung greift. Neben dieser engen Vorschrift, welche nicht voreilig angenommen werden darf, ermöglicht § 439 Abs. 4 S. 1 BGB der Verkäuferin die Leistungsverweigerung aufgrund der Unverhältnismäßigkeit der Kosten. In beiden Fällen verbietet sich eine pauschale Quotierung, viel mehr kommt es auf die Umstände des konkreten Falls an [4]. Jedenfalls kann von einer Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden, wenn die Kosten der Nacherfüllung den Kaufpreis der Sache um das Doppelte übersteigen.
Die Nacherfüllung kann also unter diesen Umständen von der Verkäuferin verweigert werden. Zuletzt gilt es zu beachten, dass der Leistungsort, also der Ort, an welchem die Nacherfüllung geschuldet wird, sich nach der Vereinbarung der Parteien oder der Natur des Schuldverhältnisses bestimmt, vgl. § 269 Abs. 1 BGB.
[4] So auch der Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2021, Aktenzeichen VIII ZR 190/19.
Nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung bzw. nach Weigerung der Verkäuferin kann die Käuferin vom Vertrag zurücktreten, § 437 Nr. 2 BGB und §§ 440, 323 Abs. 2 BGB. Anstelle des Rücktritts ist nach § 441 Abs. 1 BGB die Minderung des Kaufpreises möglich. Beides muss gegenüber der Verkäuferin erklärt werden.
Mit dem erklärten Rücktritt kommt ein sog. „Rückgewährschuldverhältnis“ zustanden, in welchem gemäß § 346 Abs. 1 BGB beide Parteien zur Rückgabe der empfangenen Leistungen, also einerseits Kaufsache andererseits Kaufpreis, verpflichtet sind. Dies geschieht Zug-um-Zug, § 348 S. 1 BGB.
Bei der Minderung ist deren Höhe abhängig vom Wert der Sache in mangelfreiem Zustand im Verhältnis zum tatsächlichen Wert, § 441 Abs. 3 S. 1 BGB. Dabei kann auf Schätzungen zurückgegriffen werden, so § 441 Abs. 3 S. 2 BGB. Der Kaufpreis ist um die entsprechende prozentuale Differenz zu mindern.
Beispiel: A kauft für 400 € von B eine Spielkonsole, welche 500 € Wert ist. Tatsächlicher Wert der Konsole liegt bei circa 300 €, da die Lüftung beschädigt ist. Die Differenz beträgt hier 40 %, sodass der Kaufpreis entsprechend zu mindern ist und nur noch 240 € beträgt. Alternativ könnte A vom Vertrag zurücktreten.
Die Möglichkeit, nach § 437 Nr. 3 BGB Schadensersatz zu verlangen, soll hier nicht weiter behandelt werden, da die Nacherfüllung und der Rücktritt bzw. die Minderung praktisch relevanter sind und in den meisten Fällen eher dem Interesse des Käufers oder der Käuferin entsprechen.
Die Geltendmachung der Nacherfüllung muss innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages geschehen, ansonsten verjährt der Anspruch gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die zweijährige Verjährungsfrist gilt ebenso für den Rücktritt bzw. die Minderung, so §§ 438 Abs. 4, 218 Abs. 1 S. 1 BGB.
Der Beitrag sollte für Interessierte einen beispielhaften Überblick über das deutsche Mangelgewährleistungsrecht beim Kauf unter Privaten verschaffen und die wichtigsten Begriffe klären. Käuferinnen und Käufern stehen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung, sofern sie mit der Kaufsache berechtigterweise unzufrieden sind.
Mit den Verweisen in das Bürgerliche Gesetzbuch soll zudem gezeigt werden, dass sich ein Blick in dasselbe und in Gesetzbücher generell lohnt, auch wenn man im Umgang mit der Materie nicht vertraut ist.