Ein Artikel in Kooperation mit Jura für alle
Im Text verwendete grammatische Formen schließen alle geschlechtlichen Identitäten ein.
Bei klassischen Internetkäufen (u.a. Fernbestellungen) eines Verbrauchers bei einem Unternehmer besteht regelmäßig ein Widerrufsrecht, mit dem der Vertrag „beseitigt“ werden kann. Dafür muss der Widerruf grundsätzlich binnen einer 14-tägigen Frist erklärt werden. Längere Zeiten können gelten, wenn eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht fehlt. Eine Begründung darf der Unternehmer für den Widerruf nicht fordern.
Die SARS-CoV-2-Pandemie bewegt viele Menschen dazu, anstatt im lokalen Einzelhandel im Internet einzukaufen. Doch was gilt eigentlich, wenn die im Netz bestellte Hose nicht passt oder das Fahrrad doch nicht gefällt? An sich gilt im deutschen Recht bekanntlich der Grundsatz „pacta sunt servanda“ (lat.: „Verträge sind bindend“). Nun räumen zwar die meisten Händler die Möglichkeit zur „Retoure“ ein – doch sind sie dazu auch verpflichtet? Und falls ja, zu welchen Bedingungen?
Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick zu den Voraussetzungen eines Widerrufsrechts im Fall der klassischen „Internetkäufe“ geben. Er bezieht sich damit regelmäßig nur auf den sog. Verbrauchsgüterkauf bei Fernabsatzverträgen, also den Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher bei einem Unternehmer im Fernabsatzhandel.
Bestehen eines Widerrufsrechts
Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher einen Vertrag mit einem Unternehmer allein über ein Fernkommunikationsmittel (z.B. Internet, Telefon) geschlossen, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht, sofern der Unternehmer solche „Fern-Bestellungen“ nicht nur ausnahmsweise annimmt, er also sein Geschäftsmodell auf den Fernabsatz ausgerichtet hat. Insbesondere die hier interessierenden „typischen“ Online-Käufe bei Versandhändlern sind damit in der Regel erfasst.
Ausnahmen davon gelten aber beim Vorrang anderer Widerrufsrechte (z.B. bei bestimmten „Ratenkäufen“) sowie bei bestimmten Waren, bei denen ein Widerrufsrecht nur besteht, wenn es bei Vertragsschluss vereinbart wurde: Dazu zählen z.B. besonders verderbliche Waren oder bestimmte Maßanfertigungen. Der Zweck solcher Einschränkungen leuchtet unmittelbar ein – eine Maßanfertigung z.B. kann der Händler regelmäßig nicht einfach an einen anderen verkaufen, er trüge die Gefahr, die Ware unter Umständen „umsonst“ angefertigt zu haben und auf seinen Kosten „sitzen zu bleiben“.
Wie übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus?
Möchte ein Verbraucher nun sein Widerrufsrecht ausüben, muss er gegenüber dem Unternehmer klar zum Ausdruck bringen, dass er an den Vertrag nicht mehr gebunden sein möchte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht unbedingt nötig, explizit von einem „Widerruf“ zu sprechen – dies empfiehlt sich jedoch unter Umständen, um später Streitigkeiten über die „Art“ des ausgeübten Rechts zu vermeiden. Für den wirksamen Widerruf ist es überdies natürlich notwendig, dass der Unternehmer erkennen kann, wer widerruft und auf welchen Vertrag sich der Widerruf beziehen soll (z.B. durch Angabe von Name, Kundennummer und Bestellnummer).
Eine Begründung für seinen Sinneswandel muss man hingegen nicht angeben. Ob die Hose also z.B. zu klein war oder ob die Farbe nicht gefällt, muss nicht zwingend offengelegt werden. Die kleinen Kästchen mit Rücksendegründen im Formular vieler Versandhändler sind für das Widerrufsrecht also irrelevant.
Grundsätzlich muss der Widerruf nicht in einer bestimmten Form erklärt werden, ein förmliches Schreiben mit Unterschrift (sog. Schriftform) ist daher nicht notwendig. Aus Beweisgründen (und weil die Wirksamkeit eines bloß mündlichen Widerrufs von wenigen Fachautoren generell bestritten wird) sollte dennoch mindestens die Textform, bspw. durch E-Mail oder formloses Schreiben ohne Unterschrift, eingehalten werden. Denn der Verbraucher muss im Prozess nachweisen, dass er widerrufen hat und dass dies rechtzeitig erfolgt ist. Bei entsprechenden Warenwerten wird gar ein Einschreiben mit Rückschein eine gute Wahl sein, um nachweisen zu können, dass das Schriftstück auch beim Unternehmer eingegangen ist.
Wie lange hat der Verbraucher Zeit zu widerrufen?
Es bleibt die Frage: Wie lange habe ich Zeit, um den Widerruf auszuüben? Hierfür statuiert das Gesetz eine Frist von 14 Tagen, für deren Einhaltung es genügt, wenn die Widerrufserklärung binnen dieser Frist abgesandt wird.Juristisch gesprochen: Damit trägt der Unternehmer das Risiko eines verspäteten Zugangs der Widerrufserklärung, das sog. Verzögerungsrisiko; das Verlustrisiko trägt hingegen der Verbraucher. Der Verbraucher kann also die Frist voll ausschöpfen und am letzten Tag der Frist die Erklärung lossenden.
Diese Frist beginnt in unserem Hosen-Fall aber nicht etwa mit dem Abschluss der Bestellung auf der Website des Versandhändlers oder mit dessen „Versandbestätigung“, sondern vielmehr erst mit Erhalt der Ware – in der Regel wird dies mit Übergabe des Pakets an der Haustür der Fall sein.
Dabei gibt es einige Sonderfälle: Bestellt der Verbraucher z.B. ein gesamtes Outfit innerhalb eines Bestellvorgangs und werden die einzelnen Kleidungsstücke getrennt zugesandt, so markiert der Erhalt des zuletzt ankommenden Pakets den Beginn der Frist. Auch hier wird der Zweck leicht deutlich: Ob die Hose farblich zum Pullover passt, kann ich erst erkennen, wenn beides angekommen ist.
Weitere Sonderregeln gelten z.B. für bestimmte Verträge über digitale Inhalte.
Länger Zeit hat der Verbraucher, wenn der Unternehmer bestimmte Belehrungspflichten zum Widerrufsrecht nicht korrekt erfüllt. Dazu zählt zum Beispiel die Unterrichtung darüber, dass ein Widerrufsrecht existiert und welche Fristen einzuhalten sind. Dann beginnt die Frist frühestens zu laufen, wenn der Unternehmer die Belehrung nachgeholt hat. Auch wenn der Unternehmer eine Belehrung nicht nachholt, hat der Verbraucher aber kein „ewiges Widerrufsrecht“ – vielmehr erlischt es spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem eigentlichen Ende der Frist, in unserem Fall also zwölf Monate und 14 Tage nach dem Erhalt der Hose.
Auch hier gelten wiederum im Einzelfall Sonderregeln, z.B. für Dienstleistungen oder digitale Inhalte.
Was gilt, wenn der Händler mir mehr Zeit gibt oder er das Widerrufsrecht ausschließt?
Ein weiter gefasstes „Rückgaberecht“ einzuräumen, steht dem Händler natürlich frei (z.B. „100-Tage-Rückgaberecht“). Die Konditionen eines solchen „Rückgaberechts“ können von den hier erläuterten unter Umständen abweichen. Weitet der Unternehmer das Widerrufsrecht des Verbrauchers aus, dann geschieht dies aus Kulanz im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung.
Umgekehrt funktioniert dies hingegen nicht: Der Verbraucher kann nicht wirksam auf sein Widerrufsrecht verzichten, schon gar nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers. Hat ein solcher Verzicht stattgefunden, kann der Verbraucher dessen ungeachtet sein Widerrufsrecht ausüben. Davon gelten jedoch ebenfalls (hier nicht abschließend genannte) Ausnahmen: Zum Beispiel ist ein solcher Verzicht beim „Kauf“ eines Downloads (z.B. Filme, PC-Spiele) gesetzlich explizit vorgesehen.
Die Frage, welche Rechtsfolgen sich an die Ausübung des Widerrufsrechts knüpfen, werden im nächsten Beitrag zum Widerrufsrecht erläutert. Insbesondere: Bis wann muss ich die Waren zurücksenden? Wer zahlt den Versand? Muss ich einen Gutschein des Unternehmers akzeptieren?
Für interessierte Leser abschließend noch die hier hauptsächlich relevanten Normen:
- §§ 312g, 312c, 312, 312k BGB (zur Existenz des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag und der Unabdingbarkeit dieses Widerrufsrechts)
- §§ 355, 356 BGB (zur Ausübung des Widerrufsrechts, speziell beim Verbrauchsgüterkauf)
- § 474 BGB (Begriff des Verbrauchsgüterkaufs)
- §§ 13, 14 BGB (Begriff des Unternehmers und Verbrauchers)
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