Todesfall in der Familie – Wer erbt wie viel? 

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Ein Erbfall in der Familie oder im Umfeld der näheren Verwandten geht stets mit Trauer und Veränderung einher. Letzteres bezieht sich nicht nur auf den Alltag, der nun ohne den Verstorbenen fortgeführt werden muss, sondern auch auf Vermögensverschiebungen, die durch den Erbfall ausgelöst werden. Namentlich kommt es zu einer Verteilung des Nachlasses unter den engen Verwandten oder sonstig durch die letztwillige Verfügung des Erblassers Begünstigten. Hierbei drängt sich regelmäßig die zentrale Frage auf, wer zu welchem Anteil Erbe wird und welche sonstigen Ansprüche entstehen. Dieser Beitrag soll daher erbrechtliche Grundlagen beleuchten und somit erste Fragen bezüglich gesetzlicher Erbfolge, Testament und generellem Vorgehen beantworten. 

Gesetzliche Erbfolge

Hat der Erblasser keine letztwillige Verfügung erlassen, so greift ein gesetzlich geregeltes System zur Aufteilung des Nachlasses unter den Verwandten und Ehegatten, die sog. gesetzliche Erbfolge.

Die Verwandtschaft in diesem Sinne bestimmt sich nach dem § 1589 BGB und umfasst Personen, die voneinander Abstammen oder von der gleichen dritten Person. Sie umfasst also einerseits Kinder, Kindeskinder, Eltern und Voreltern, andererseits auch Cousinen, Vettern und Geschwister.1 Diese Verwandtschaft wird vom Gesetz in Ordnungen eingeteilt: Eine Ordnung besteht aus einer Person und allen Ihren Abkömmlingen. Der Erblasser bildet also mit allen seinen Kindern und dessen Abkömmlingen die erste Ordnung. Die zweite Ordnung besteht aus den Eltern des Erblassers und allen Geschwistern des Erblassers, die Dritte umfasst die Großeltern und die Geschwister der Eltern und so weiter.2 Diese Ordnungen werden in der Reihenfolge ihrer Nummerierung berücksichtigt. Hierbei gilt: findet sich auch nur ein Erbe einer niedrigeren Ordnung so sind höhere Ordnungen im Übrigen vom Erbe ausgeschlossen, vgl § 1924 II BGB. Hat der Erbe also beispielsweise ein Kind, so werden seine Eltern nicht berücksichtigt.

Dieses System wird durch den Grundsatz ergänzt, dass innerhalb einer Ordnung die entfernteren Verwandten nachrücken, sofern der näher Verwandte selbst nicht mehr lebt, das Erbe ausgeschlagen hat, oder aus einem anderen Grund nicht erbt.3 In diesem Fall bildet jeder Nachkömmling einen eigenen Stamm, sodass grundsätzlich nur die entfernteren Verwandten, die von jemanden Abstammen, auf diesen nachrücken. Es wird also immer innerhalb eines Stammes nachgerückt.4

Es ergibt sich hieraus praktisch, dass zunächst die Kinder des Erblassers berücksichtigt werden und zu gleichen Teilen erben. Erbt eines der Kinder nicht, so rücken Enkel, Urenkel und so weiter nach. Hat der Erblasser keine Abkömmlinge, so Erben dessen Eltern. Sind diese Tod oder aus anderem Grund nicht Erben, so rücken dessen Abkömmlinge nach. Sind auch hiervon keine vorhanden, so geht es zu den Großeltern und so weiter. Ein Abweichen von diesem System findet erst ab der 4. Ordnung, also den Urgroßeltern statt, vgl. § 1928 BGB.

Neben der Verwandtschaft erben auch die Ehe- und eingetragenen Lebenspartner gem. § 1931 BGB. Grundsätzlich beläuft sich der Umfang des Erbrechts der Ehegatten neben Verwandten der ersten Ordnung auf ¼, neben Verwandten der zweiten Ordnung und neben Großeltern ½. Neben allen übrigen Verwandten erbt der Ehe- oder Lebenspartner vollumfänglich. Zu berücksichtigen ist allerdings die Güterteilung zwischen den Ehe- oder Lebenspartnern. Lag der gesetzliche Regelfall der Zugewinngemeinschaft vor, so erhöht sich der gesetzliche Erbteil pauschal um ¼, § 1931 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 i.V.m. § 1371 BGB.

Testierfreiheit

Abweichend von dieser gesetzlichen Erbfolge steht es allerdings jedem frei, die Aufteilung seines Nachlasses selbst zu gestalten. Dies ist Ausfluss der in Deutschland geltenden Testierfreiheit.5 Eine Verfügung von Todes wegen kann verschiedenen Formen und Inhalte haben, hier ist der Erblasser grundsätzlich frei in der Gestaltung. Möglich ist das Enterben und das Einsetzen von Erben, das Vermachen von einzelnen Gegenständen oder Vermögensanteilen und vieles mehr.6

Der Erblasser kann sich bei der Errichtung seines Testaments verschiedenen Bindungswirkungen unterwerfen. Verfügt er letztwillig und einseitig, so ist die Rede von einem Testament, von dem sich der Erblasser auch stets zu Lebzeiten wieder lösen kann, § 1937 BGB. Möglich ist allerdings auch eine gegenseitige Erbeinsetzung unter Ehegatten, wobei eine Änderung nur unter bestimmten Formvorschriften gebunden ist und spätestens mit dem Tod des Ehegatten nicht mehr möglich ist, § 1941 BGB. Weiterhin ist auch die Erbvertragliche Bindung möglich, die einen Widerruf jedoch grundsätzlich unzulässig macht, § 2289 I BGB.7

Testamente können außerdem entweder zur Niederschrift eines Notars errichtet werden, § 2232 BGB, oder aber eigenhändig geschrieben werden, § 2247 BGB. Ersteres hat den Vorteil, dass die Gefahr von Verfälschungen und Missverständnissen minimiert wird und eine Eröffnung nach dem Tod sicher ist. Bei einem eigenhändigen Testament läuft der Testierende hingegen Gefahr, dass das Testament nach dem Tod nicht gefunden wird. Allerdings ist das notarielle Testament dafür auch mit unter Umständen nicht unerheblichen Kosten verbunden. Das eigenhändige Testament hat hingegen den Vorteil, dass es jederzeit schnell und unkompliziert aufgesetzt werden kann, es müssen lediglich die formalen Anforderungen des § 2247 I BGB eingehalten werden: Das Testament muss handschriftlich geschrieben und unterschrieben werden. Rechtlich entfalten beide Testamente die gleichen Wirkungen.8 

Pflichtteilsrecht

Die beschriebene Testierfreiheit steht in einem Spannungsverhältnis mit der Pflicht zur sozialen Fürsorge für die Familie, die sich aus Art. 6 GG ergibt.9 Um dieses Spannungsverhältnis zu lösen, greift das Pflichtteilsrecht ein.10 Es gilt: Ein Ausschluss von der Erbfolge durch letztwillige Verfügung bedeutet häufig noch nicht, dass ein Anteil am Nachlass ausgeschlossen ist, denn dieser kann sich aus einem gesetzlich zustehenden Pflichtteil am Nachlass ergeben. Grundsätzlich berechtigt, einen Pflichtteil zu erhalten, sind Abkömmlinge des Erblassers nach § 2303 I BGB und dessen Eltern und Ehegatten nach § 2303 II BGB, sofern diese nach gesetzlicher Erbfolge Erben geworden wären, aber durch Verfügungen des Erblassers von dieser Folge ausgeschlossen sind.11 Der Pflichtteil beläuft sich in seiner Höhe dann auf die Hälfte dessen, was der Erbe bei fiktiver gesetzlicher Erbfolge bekommen hätte, § 2303 S. 2 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte wird allerdings nicht Erbe, es entsteht ihm lediglich ein Anspruch in Höhe des Pflichtteils gegen den Erben. 

Die oben genannten Grundsätze können nicht ohne weiteres umgangen werden. Wird der gesetzliche Erben durch letztwillige Verfügung zwar nicht vom Erbe ausgeschlossen, wird ihm aber ein kleinerer Anteil am Erbe zugesprochen, als sein Pflichtteil wäre, so steht ihm ein Anspruch gegen die Erben zu, in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Erbe und dem Pflichtteil, § 2305 BGB.12 Ein gesetzlicher Erbe bekommt im Endeffekt also grundsätzlich mindestens den Pflichtteil, also die Hälfte des gesetzlichen Erbes. Auch eine wirtschaftliche Minderung des Erbes durch Verschenken des Vermögens zu Lebzeiten mindert die Pflichtteile nur bedingt. Liegen solche Schenkungen vor, so sind diese, tritt der Erbfall innerhalb eines Jahres nach der Schenkung ein, voll zu berücksichtigen und auf den Pflichtteil anzurechnen, als sei keine Schenkung vorgenommen worden, § 2325 I, III BGB. In den auf die Schenkung folgenden 10 Jahren setzt ein „Abschmelzungsvorgang“ ein.13 Gem. § § 2325 III 1 BGB ist die Schenkung in jedem weiteren Jahr um 10 % weniger zu berücksichtigen, bis sie dann nach 10 Jahren gar nicht mehr zu berücksichtigen ist.14

Fristen

Zu beachten sind abschließend einige Fristen rund um den Erbfall und möglicherweise bestehende Ansprüche. Besonders wichtig mag hier zum einen die Frist zu Erbausschlagung sein. Diese beläuft sich gem. § 1944 I BGB auf sechs Wochen und beginnt gem. § 1944 II 1 BGB mit Kenntnis von der Erbschaft. Also im Fall der gesetzlichen Erbschaft bei Kenntnis vom Todesfall und der Verwandtenstellung und im Fall der gewillkürten Erbfolge bei Kenntnis über die Einsetzung durch letztwillige Verfügung.15 Weiterhin wichtig ist die Frist zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen. Diese richtet sich nach § 2332 BGB und beträgt 3 Jahre ab Kenntnis der angefallenen Erbschaft.16

Insgesamt ergibt sich somit ein differenziertes und nicht ganz unkompliziertes System aus gesetzlicher und durch den Erblasser bestimmten Erbfolge. Zahlreiche Detailregelungen können in einem kurzen Überblick nicht erörtert werden. Eine individuelle Beratung ist daher in jedem Fall unentbehrlich.

  1. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 30. ↩︎
  2. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 33. ↩︎
  3. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 35. ↩︎
  4. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 36. ↩︎
  5. Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz: Grundgesetz-Kommentar, Stand: April 2024, Art. 14, Rn. 412 ff. ↩︎
  6. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 62. ↩︎
  7. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 64. ↩︎
  8. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 74 ff. ↩︎
  9. BVerfG, Beschluss vom 30. 8. 2000 – 1 BvR 2464/97 = NJW 2001, S. 141. ↩︎
  10. Obergfell, in: beck-online.Grosskommentar BGB, Stand: 01.07.2024, § 2303 Rn. 5. ↩︎
  11. Obergfell, in: beck-online.Grosskommentar BGB, Stand: 01.07.2024, § 2303 Rn. 21 ff. ↩︎
  12. Obergfell/Färber, in: beck-online.Grosskommentar BGB, Stand: 01.07.2024, § 2303 Rn. 5 ff. ↩︎
  13. Müller-Engels, in: BeckOK zum BGB, Stand: 01.05.2024, § 2325 Rn. 49. ↩︎
  14. Brox/Walker, Erbrecht 30. Auflage, 2024, S. 355 f. ↩︎
  15. Leipold, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, 2022, § 1944, Rn. 9 ff. ↩︎
  16. Lange, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, 2022, § 2332, Rn. 3. ↩︎

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