Rechte des Reisenden bei Pauschalreisen

Im Urlaub kann vieles schiefgehen. Wurde jedoch ein Pauschalreisevertrag geschlossen, so schafft das Gesetz Abhilfe. Mit den §§ 651a ff. BGB hält es einen ausgeprägten Katalog mit Rechten und Pflichten von Veranstaltern und Reisenden bereit und kreiert so einen weitgehend gesicherten Interessenausgleich. Damit sich allerdings auf die dort geregelten Rechte berufen werden kann, muss zunächst ein Pauschalreisevertrag im Sinne der §§ 651a ff. BGB vorliegen. Zudem muss es sich bei dem auftretenden Problem um einen sogenannten Reisemangel handeln. 

1. Liegt ein Pauschalreisevertrag vor?

Grundsätzlich liegt ein Pauschalreisevertrag dann vor, wenn ein Reiseveranstalter sich dem Reisenden gegenüber dazu verpflichtet, mindestens zwei Reiseleistungen zum Zweck derselben Reise zu erbringen, § 651a II 1 BGB. Solche Reiseleistungen liegen in der Beförderung von Personen, der nicht zu Wohnzwecken dienenden Beherbergung und der Vermietung von Kraftfahrzeugen und Krafträdern, § 651a III BGB. Kein Pauschalreisevertrag liegt vor, wenn nur einer dieser Reiseleistungen mit einer oder mehreren touristischen Leistungen verbunden wird und die touristische Leistung weniger als 25 % der Reise ausmacht oder erst nach Erbringung der jeweiligen Reiseleistung gebucht wurde, § 651a IV BGB. Touristische Leistungen sind etwa Ausflüge, Sportkurse oder andere Kurse (bspw. Töpferkurse) [1].  Wichtig ist, dass es hiervon Aus-nahmen gibt, beispielsweise bei Tages-, Gelegenheits- oder Geschäftsreisen, § 651a V BGB. Eine individuelle Recherche ist in diesen Fällen ratsam.

Werden Verträge über Einzelleistungen geschlossen, so handelt es sich nach den aufgeführten Kriterien nicht um Pauschalreiseverträge. Das Recht der §§ 561a BGB ff. findet also beispielsweise bei der Buchung eines Hotels oder der Vermietung eines Autos keine Anwendung.

Der Reiseveranstalter ist der, der sich dem Reisenden gegenüber zur Verschaffung der Leistungen verpflichtet. Das Verschaffen der Leistungen grenzt den Reiseveranstalter von dem Reisevermittler ab, welcher grundsätzlich nicht Vertragspartei wird [2].  Das Reisebüro ist beispielsweise regelmäßig kein Reiseveranstalter. Ausnahmsweise kann allerdings auch ein bloßer Vermittler als Reiseveranstalter gelten, wenn bei sogenannten Click-through-Buchungen mit dem Reisenden online ein Vertrag über eine Reiseleistung geschlossen wird und dann für den Zweck derselben Reise mindestens ein Vertrag über eine andere Reiseleistung vermittelt wird, indem Zugriff auf das Buchungssystem eines anderen Unternehmers verschafft wird, § 651b BGB. 

Bei der Abgrenzung, ob es sich um einen Veranstalter oder bloß um einen Vermittler handelt, sind sog. Vermittlerklauseln, die besagen, dass Verträge nur vermittelt werden, häufig unwirksam [3].  Speziell ist dies der Fall, wenn mindestens zwei Reiseleistungen für die gleiche Reise vermittelt werden und diese in einem Buchungsvorgang gebucht werden, mit einem Gesamt-preis bezahlt werden oder vom Unternehmer als Pauschalreise bezeichnet werden, § 651b I BGB.

Kommt nun ein Pauschalreisevertrag zustande, so trifft den Reiseveranstalter einerseits die Pflicht, die Reiseleistungen mangelfrei zu erbringen, § 651i I BGB. Andererseits muss er den Reisenden unter anderem über wesentliche Eigenschaften der Reiseleistungen, über Reisepreis und Zahlungsmodalitäten und über Visums- und Passerfordernisse aufklären, Art. 250 EGBGB. 

 

[1] Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 651a Rn. 73.
[2] Dirk Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 18. Auflage, § 36, Rn. 7.
[3] BGH, Urteil vom 18. Oktober 1973 – VII ZR 247/72 –, BGHZ 61, 275-282.

2. Liegt ein Reisemangel vor?

Der Reiseveranstalter muss dem Reisenden die Reiseleitungen frei von Mängeln verschaffen. Aber was genau ist ein Reisemangel? Wann ein solcher vorliegt, beschreibt § 651i BGB näher. Demnach ist vorrangig auf die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit der Reiseleistungen ab-zustellen. Liegt eine explizite vertragliche Vereinbarung bezüglich der in Frage stehenden Eigenschaft nicht vor, so ist auf die Geeignetheit zur vertraglich vorausgesetzten Nutzung abzustellen. Ist auch eine solche Nutzung aus dem Vertrag nicht zu entnehmen, so ist nach dem gewöhnlichen Nutzen und der üblichen Beschaffenheit bei Reiseleistungen gleicher Art zu fragen. Es ist hierbei zu beachten, dass vorvertragliche Informationen des Reiseveranstalters, beispielsweise durch Kataloge oder Flyer, Vertragsbestandteil werden können, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, Art. 250 § 3 EGBGB [4]. 

Wurde also beispielsweise vertraglich vereinbart, dass das Zimmer Meerblick hat, dann stellt das Fehlen eines solchen einen Mangel dar [5].  Gleiches gilt für zugesicherten Balkon oder Terrasse [6].  Ein Beispiel für eine übliche Beschaffenheit bei Reiseleistungen gleicher Art kann ein Bus sein, dessen Klimaanlage bei heißen Außentemperaturen nicht funktioniert, während die Heizung nicht abstellbar ist [7],  oder eine Geräuschkulisse, die den Schlaf stört, sofern nicht im Vorfeld des Vertragsschlusses auf eine solche hingewiesen wurde [8].

 

[4] Dirk Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 18. Auflage, § 36, Rn. 27.
[5] AG Duisburg, Urteil vom 04.02.2010 – 53 C 4617/09.
[6] LG Kleve, Urteil vom 2.2.2001 – 6 S 299/00.
[7] AG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.4.2000 – 29 C 69/00-46.
[8] AG Köln, Urteil vom 7.11.2007 – 133 C 533/06.

3. Vorgehen und Rechte

Liegt ein Reisemangel vor, so stehen dem Reisenden verschiedene Rechte zu. Um diese allerdings wahrnehmen zu können, ist auch das richtige Vorgehen des Reisenden entscheidend.

a) Mangel anzeigen , § 651o BGB:

Zunächst muss der Mangel dem Reiseveranstalter umgehend und konkret angezeigt werden [9].  Hierbei empfiehlt es sich, Beweise über den Mangel sicherzustellen, diesen also beispiels-weise zu fotografieren. Angezeigt werden muss der Mangel grundsätzlich dem Reiseveranstalter, § 651o I BGB, was formlos, also auch fernmündlich per Telefon oder E-Mail möglich ist [10].  Weiterhin kann im Einzelfall der Reiseleiter vor Ort als Vertreter des Reiseveranstalters fungieren und daher die Mängelanzeige vertretend, für diesen entgegennehmen [11].  Gleiches gilt für den Vermittler der Reise, sodass meist auch das Reisebüro die Mängelanzeige entgegen nehmen und an den Reiseveranstalter weiterleiten muss, § 651v IV BGB [12].  Die Mangelanzeige ist ausschlaggebend für eine Minderung des Reisepreises und für die Möglichkeit der Geltendmachung sämtlicher Rechte des Reisenden. 

 

[9] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2024, § 651o Rn. 43.
[10] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2024, § 651o Rn. 45 ff..
[11] Beck Online Großkommentar zum BGB, 9. Stand: 01.01.2024, § 651o Rn. 79 ff..
[12] Beck Online Großkommentar zum BGB, 9. Stand: 01.01.2024, § 651o Rn. 84 ff..

b) Abhilfe, § 651k BGB:

Vorrangig muss der Reisende dem Reiseveranstalter die Chance geben, Abhilfe zu schaffen. Dies tut er durch ein Abhilfeverlangen. Zusätzlich zur Anzeige des Mangels ist also unmissverständlich um Abhilfe zu bitten und eine angemessene Frist zu setzen [13].  Dabei ist zumindest der eigene Name oder die Buchungsnummer des Reisenden anzugeben [14].  Zu richten ist das Abhilfeverlangen wiederum an Reiseveranstalter, Reiseleiter oder Reisevermittler. Hat der Reiseveranstalter keinen Reiseleiter benannt, an den sich zu wenden ist, oder ist es dem Reisenden nicht zuzumuten, sich an den benannten Reiseleiter zu wenden, so kann sich auch an den einzelnen Erbringer der Reiseleistung (bspw. Hotel) gewendet werden [15].  Hier sollte zur Sicherheit allerdings nur sekundär darauf zurückgegriffen werden.

 

[13] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2023, § 651k Rn. 94.
[14] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2023, § 651k Rn. 95.
[15] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2023, § 651k Rn. 104.

c) Selbstabhilfe mit Aufwendungsersatz, § 651k II BGB:

Wurde innerhalb der angemessenen Frist keine Abhilfe geschaffen, so kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und vom Reiseveranstalter Ersatz der hierfür anfallenden erforderlichen Aufwendungen verlangen. Für die Erforderlichkeit ist hierbei zu beachten, dass auch das Buchen einer Leistung der nächsthöheren Klasse erforderlich sein kann, sofern Leistungen der gleichen Klasse nicht mehr buchbar sind [16].  Sind Teile der Aufwendungen nicht erforderlich, so können diese nur teilweise erstattet werden.

 

[16] OLG Köln, Urteil vom 14-10-1992 – 16 U 46/92.

d) Minderung des Reisepreises, § 651m BGB:

Liegt ein Reisemangel vor, so kann der Preis der Reise für den Zeitraum, in dem der Mangel vorliegt, gemindert werden. Der Zeitraum hängt dabei lediglich vom Vorliegen des Mangels, nicht aber von der Anzeige dessen ab [17].  Jedoch kann eine Minderung ausgeschlossen sein, wenn der Reisende schuldhaft den Mangel nicht anzeigt und der Reiseveranstalter aufgrund der unterlassenen Anzeige keine Abhilfe schaffen kann, § 651o II BGB. Wird Abhilfe geschaffen oder der Vertrag vorzeitig beendet, so kann für den Zeitraum, in dem der Mangel bestand, trotzdem der Reisepreis gemindert werden. Wurde der volle Preis bereits im Voraus bezahlt, so kann der Reisende den Teil des Preises, um den gemindert wurde, zurückverlangen, § 651m II BGB.

 

[17] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2024, § 651m Rn. 75.

e) Kündigung bei schwerwiegenden Mängeln, § 651l BGB:

Ist die Reise durch den Mangel erheblich beeinträchtigt, so kann, nach fruchtlos verstrichener Frist zur Nacherfüllung auch gekündigt werden. Hierbei bleibt die Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Preises für bereits erbrachte und noch zu erbringende Reiseleistungen bestehen, § 651l II 1 BGB. Für aufgrund der Kündigung nicht mehr zu erbringende Leistungen besteht allerdings nach der Kündigung auch keine Zahlungspflicht mehr, § 651l II 2 Hs. 1 BGB. Maßnahmen, die durch die Kündigung notwendig werden, wie bspw. der sofortige Rücktransport, müssen vom Veranstalter organisiert und Mehrkosten hierfür von diesem getragen werden, § 651l III BGB. Bei der Beurteilung, ob ein Reisemangel die Reise erheblich beeinträchtigt, sind Reise-zweck, Reisecharakter und Dauer und Umfang des Mangels zu berücksichtigen [18].  Beispiels-weise wird der Zweck einer Erholungsreise nicht erreicht, wenn sich aufgrund ständigen Baulärms nicht erholt werden kann [19].

 

[18] Dirk Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 18. Auflage, § 36 Rn. 38.
[19] LG Stuttgart, Urteil vom 16-01-1986 – 16 S 222/85.

f) Schadensersatz, § 651n BGB:

Weiterhin kann bei Vorliegen eines Reisemangels oder bei Verletzung der Informationspflicht des Veranstalters ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Hier ist jedoch da-rauf zu achten, dass der Veranstalter zunächst die Möglichkeit bekommen muss, Abhilfe zu schaffen. Zeigt der Reisende den Mangel also schuldhaft nicht an und kann der Reiseveranstalter aufgrund der Nichtanzeige keine Abhilfe schaffen, so kann er auch keinen Schadensersatz verlangen, § 651o II Nr. 2 BGB. Grundsätzlich muss der Mangel nicht vom Reiseveranstalter verschuldet sein. Dieser kann sich jedoch dann entlasten, wenn der Reisende selbst den Mangel zu verschulden hat, ein Dritter, der insb. nicht Leistungserbringer ist, den Mangel zu verschulden hat oder wenn der Mangel durch ungewöhnliche und unvorhersehbare Umstände hervorgerufen wurde, § 651n I BGB. 

g) Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, § 651n II BGB:

Liegt eine Informationspflichtverletzung oder ein Mangel vor, der auch angezeigt wurde, und wird zusätzlich die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch Ersatz für die aufgewendete Urlaubszeit verlangen. Vereitelt ist eine Reise insofern, wenn sie nicht angetreten werden kann oder gleich zu Anfang abgebrochen werden muss [20].  Beispiels-weise ist dies bei der Überbuchung eines Hotels der Fall [21]. Die Erheblichkeit beurteilt sich wie bei der Kündigung nach einer Gesamtwürdigung der Umstände. Unerheblich ist, wie der Rei-sende die Zeit nach Abbruch der Reise verbringt. Somit kann die Ersatzpflicht auch dann be-stehen, wenn der Beruf gleich wieder aufgenommen wird oder man nach Abbruch krank wird [22].

 

 

[20] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.11.2023, § 651n Rn. 44.
[21] BGH, Urteil vom 11. 1. 2005 – X ZR 118/03.
[22] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.11.2023, § 651n Rn. 47.

4. Einzelne Reiseleistungen

Handelt es sich nicht um einen Pauschalreisevertrag, werden also lediglich einzelne Reise-leistungen gebucht und die Gesamtheit der Reise selbst durch den Reisenden organisiert, so finden die Regelungen über die Pauschalreise keine Anwendung. In diesen Fällen muss jeweils ermittelt werden, um welchen Vertragstyp es sich handelt, um herauszufinden, welche Rech-te dem Reisenden zustehen und an wen er sich hierfür zu wenden hat.

Handelt es sich beispielsweise um die Buchung von Ferienhäusern oder -wohnungen, so ist vermutlich das Mietrecht auf den Vertrag anzuwenden. Hierbei kann parallel zum Reiserecht bei einem Mangel die Miete gemindert, der Mietvertrag gekündigt und Schadensersatz verlangt werden.

 

Wird andererseits ein Hotel gebucht, so liegt häufig ein Beherbergungsvertrag vor. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass im Kern die Zurverfügungstellung der Räumlichkeit Vertrags-inhalt ist, daneben allerdings auch Serviceleistungen geschuldet werden. Es handelt sich da-bei um einen gemischten Vertrag, der Elemente des Miet-, Kauf-, Verwahrungs-, Dienst- und Werkvertragsrechts enthalten kann [23].

 

[23] Beck Online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.01.2024, § 535 n Rn. 70.

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